Paul Schultze-Naumburg und die Ästhetik des Volkstums in Architektur und Gartenkultur
In der Zeit um 1900 ändern sich die Leitbilder der Architektur- und Gartentheorie. ,Volkstum' und ,nationale Eigenart' rücken in das Zentrum einer neuen, ganzheitlichen „Ausdruckskultur“ (Ferdinand Avenarius). Bedeutender Protagonist dieser Entwicklung ist der auf praktischem und theoretischem Gebiet gleichermaßen erfolgreiche Paul Schultze-Naumburg (1869–1949). Als Ressortleiter des Kulturmagazins „Kunstwart“, Autor der Buchreihe „Kulturarbeiten“, umtriebiger Vereinsaktivist und Inhaber eines großen (Landschafts-)Architektur-Unternehmens ist er maßgeblich daran beteiligt, das Volkstums-Paradigma in Architektur und Gartenkunst zu verbreiten. Auch nach dem Ersten Weltkrieg bleibt Schultze-Naumburg im Zentrum des Geschehens. Er formuliert die Grundzüge der nationalsozialistischen Architektur- und Landschaftstheorie mit und leitet die erste Kunsthochschule mit nationalsozialistischem Programm.
Bislang gehen Architektur- und Gartenwissenschaft meist davon aus, dass seine Metamorphose vom einflussreichen Akteur des wilhelminischen Kulturgeschehens zum zeitweise bedeutendsten nationalsozialistischen Kunsttheoretiker durch einen kategorialen Bruch seiner ursprünglichen Leitgedanken zu erklären sei. Neuere Forschungen legen jedoch die Annahme nahe, dass sich diese Auffassung nicht länger halten lässt. Das Werk Paul Schultze-Naumburgs soll unter Einbeziehung diskurs-, netzwerks- und entwurfsanalytischer Methoden umfassend neu untersucht und die Entwicklung seines theoretischen und gestalterischen Schaffens im Rahmen des neuen Paradigmas nachgezeichnet werden.